Die Anforderungen, die im beruflichen sowie im privaten Alltag an uns gestellt werden, wachsen seit hunderten von Jahren.
Während die Menschen früher fast ausschließlich arbeiteten, um Nahrung zu beschaffen und deshalb den Herden hinterher zogen, wurden sie später sesshaft und bestellten die Felder mit einfachen Werkzeugen. Die Werkzeuge wurden komplizierter, es mussten Handwerker her. Über die Industrialisierung, die unzählige Arbeiter beschäftigt, geht es rasant ins digitale Zeitalter. Computer bestimmen die Welt und viele Berufe sterben aus – neue Zweige entstehen und somit ist der Mensch permanent gefordert, sich weiterzuentwickeln, um den Erwartungen von außen gerecht zu werden.
Wo es früher Spezialisten gab, ist heute der gefragt, der am besten alles kann. Und so kommt es, dass wir in der heutigen Zeit mit einer Vielzahl von Aufgaben konfrontiert werden, die idealerweise asap (so schnell wie möglich) erledigt werden sollen.
Wem es hier gelingt, seine Zeit vernünftig einzuteilen, ist zufriedener und hat noch Luft für ein erfüllendes Privatleben.
Die Frage ist also: wie können wir unsere Arbeitslast entspannter und somit effektiver angehen?
Wie bereits in unserem Artikel zum Thema Zeitmanagement im März beschrieben, ist es wichtig zu wissen, wo wir überhaupt hinwollen. Wir benötigen ein Ziel! Im nächsten Schritt gibt es unterschiedliche Methoden, die Zeit – um dieses Ziel zu erreichen – sinnvoll einzusetzen. Wir berichteten über Priorisieren, Zeiträuber, Zeitfenster und die Methode Eat the frog.
Wir müssen jedoch eines realisieren: es gibt nicht DIE EINE Methode, die für jeden von uns gleichermaßen sinnvoll ist. Was bei dem einen funktioniert, kann beim anderen schief gehen. Das liegt u.a. daran, dass es sogenannte konvergente und divergente Denker gibt.
Lothar Seiwert spricht in seinem Buch „Wenn Du es eilig hast, gehe langsam“ von genau diesen Menschentypen. Zu welcher Spezies wir gehören, ist davon abhängig, ob bei uns bevorzugt die linke (konvergenter Typ) oder die rechte (divergenter Typ) Gehirnhälfte aktiv ist.
Demnach sind konvergente Menschen eher konzentriert auf Details. Sie arbeiten schrittweise, planen gerne und gehen im Allgemeinen logisch vor.
Divergente Menschen hingegen sind kreativ, suchen die Vielfalt und sehen das große Ganze.
Aufgrund dieser Erkenntnisse ist es naheliegend zu vermuten, dass beide Typen unmöglich den gleichen Arbeitsstil bevorzugen. Und genauso ist es auch beim Zeitmanagement: das Schreiben von To-Do-Listen und das Setzen von Prioritäten – für den Konvergenten: nichts leichter als das. Für den Divergenten dagegen: die reinste Qual. Dieser mag es dafür farbenfroh und erfreut sich über immer neue Tools zum Austoben: sei es ein weiterer Kalender oder Buntstifte zum Highlighten der Aufgaben. Hauptsache, er kann das Rad immer wieder neu erfinden und drohender Routine frühzeitig aus dem Weg gehen.
„Zeit haben“ ist eine Entscheidung
Einer meiner damaligen Personalchefs fragte mich eines Tages in einem Meeting: „Wie viele Stunden hat Ihr Tag, Frau Goldschmid?“. Ich war zunächst irritiert, antwortete dann aber wahrheitsgemäß mit „24 Stunden“. Ich glaube, das war genau die Antwort, die er hören wollte.
Vielleicht denken Sie jetzt, das ist provokativ. Aber hat nicht jeder von uns dieselbe Zeit zur Verfügung? Wieso nehme ich mir nicht die Zeit, die ich brauche? Unsicherheit, Ängste oder gar Bequemlichkeit könnten mögliche Ursachen dafür sein. Wenn wir das nächste Mal sagen „Ich habe keine Zeit“ sollten wir genauer in uns hinein hören und überlegen, welche Emotion wir gerade verdrängen.
Und was ist, wenn die Zeit nicht ausreicht? Wenn ich mehr als 24 Stunden bräuchte?
Früher ging es mir häufig so, dass ich mir ellenlange To-Do-Listen geschrieben habe und regelmäßig unzufrieden – wenn nicht gar frustriert – war, wenn ich abends völlig erschöpft feststellen musste, dass ich nicht annähernd das geschafft hatte, was ich mir morgens hochmotiviert vorgenommen hatte.
Bis ich eines Tages dazu überging, mir im Vorfeld zu überlegen, wie viel Zeit ich denn für die einzelnen Tätigkeiten überhaupt benötigen würde. Schon beim Erfassen meiner Liste wurde mir dann oft klar, dass es unmöglich ist, alles an einem Tag zu erledigen. Und dann habe ich automatisch damit begonnen, Prioritäten zu setzen. Welche Aufgabe hat Zeit bis morgen? Was kann bis nächste Woche warten? Wer kann mir etwas abnehmen? Ich habe nun immer mehr Spaß daran, meine Listen zu „bearbeiten“ und bin abends sehr zufrieden mit mir, wenn ich sehe, wie erfolgreich ich meine Dinge erledigen konnte.
Meine bevorzugte Vorgehensweise lässt sich am besten mit der bekannten ALPEN-Methode und einem Beispiel, wie dieser Artikel entstand, beschreiben.
A wie Aufgaben und Termine festhalten
Mein Ziel ist klar: ich möchte einen Artikel über Zeitmanagement schreiben. Ich weiß, wann der Artikel veröffentlich werden soll und somit, wieviel Zeit ich bis dahin habe (unter Berücksichtigung aller anderen Aufgaben). Was ist zu tun? Ich mache Brainstorming, betreibe Recherche, sammle relevante Fakten und letztendlich muss ich den Artikel natürlich auch schreiben.
L wie Länge beurteilen (Zeitfenster)
Im zweiten Schritt überlege ich mir, wie viel Zeit ich voraussichtlich für die jeweilige Aufgabe benötige. Also wie lange möchte ich für das Brainstorming investieren, wie lange dauert es womöglich die nötigen Fakten zu recherchieren und wie viel Zeit brauche (oder habe) ich, um den Artikel zu verfassen.
Dabei plane ich in der Regel sehr großzügig um mir selbst genügend… und damit weiter zu Schritt 3
P wie Pufferzeit einkalkulieren (60:40)
…Puffer einzuräumen.
Diese 60:40-Regel meint, dass die zur Verfügung stehende Arbeitszeit nur zu 60% verplant werden soll. Ich persönlich gehe damit wie folgt um: Bei Tätigkeiten, die ich beispielsweise mit 40 Minuten ansetzen würde, verplane ich automatisch 1 Stunde. Oder, mit anderen Worten ausgedrückt: ich plane grundsätzlich nur im Halbstunden-Takt und runde immer auf.
Bezogen auf einen ganzen Tag bedeutet die 60:40-Regel: wenn Sie 8 Stunden zur Verfügung haben, sollten Sie nur 4,8 Stunden verplanen und den Rest für Unvorhersehbares „reservieren“.
E wie Entscheidungen treffen (priorisieren)
Jetzt kann es passieren, dass die geplante Tätigkeit (nehmen wir mal in meinem Beispiel das „recherchieren der Fakten“) auf Grund einer Vielzahl anderer Aufgaben nicht mehr in meinen Tageszeitplan passt. Dann ist es wichtig, Prioritäten zu setzen. Kann meine Recherche warten? Bis wann sollte der Artikel fertig sein? Wo kann ich dieses geplante Zeitfenster unterbringen?
N wie Nachkontrolle
Zu guter Letzt kommen dann die altbewährten Häkchen ins Spiel. Hier sollte dringend überprüft werden, welche Aufgaben am Tagesende erledigt und welche denn doch noch offen sind und wo diese Zeitfenster zu einem späteren Zeitpunkt noch untergebracht werden können.
Die Vorteile dieser Methode sind vielfältig: Zunächst sehe ich im Vorfeld bereits, was überhaupt realisierbar ist. Die Zufriedenheit steigt darüber hinaus enorm, da bei „guter“ Planung die Themen auch erledigt werden können. Und die Planung ist für verschiedene Zeitvolumina einsetzbar, d.h. für Tages- Wochen- oder Monatsziele.
Ich persönlich habe sehr gute Erfahrungen mit der Methode gemacht und kann Sie nur einladen, es selbst auch auszuprobieren.
Viel Erfolg bei der Umsetzung wünscht Ihnen herzlichst
Brigitte Goldschmid
Dale Carnegie Business Coach